Die Gesellschaft für Neuropädiatrie hat sich mit der Präambel erstmals im Jahr 2012 eine umfassende Definition Ihres Auftrages gegeben. Die Präambel ist zugleich Vorwort und Bestandteil des Syllabus Neuropädiatrie. Dieser wurde in der Version 2.0 am 25.04.2013 von der Mitgliederversammlung in Innsbruck beschlossen.
Präambel 2.0
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Einleitung
Die Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft für die Neurologie des gesamten Kindes- und Jugendalters (Synonyma: Neuropädiatrie, Pädiatrische Neurologie, Kinderneurologie, Kinder- und Jugendneurologie, Neuromedizin des Kindes- und Jugendalters u.a.). Sie vertritt Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz, mit europäischem Selbstverständnis (Syllabus der European Pediatric Neurology Society EPNS, bestätigt durch das Committee of National Advisers, CNA).
Die Gesellschaft für Neuropädiatrie stellt sich mit ihrem Syllabus* der neuropädiatrischen Versorgungsstrukturen der aktuellen Strukturdiskussion in Deutschland, im Spannungsfeld der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion. In der aktuellen Version 2.0 stellt die GNP Merkmale der Struktur und Qualität der Versorgung zusammen, definiert erstmals die verschiedenen Versorgungsebenen ambulanter und stationärer Versorgung. Diese Version ist bereits das Produkt der Diskussion unter den Mitgliedern über die Vorlage der Kommission Versorgungsstrukturen. In weiteren, zukünftigen Versionen werden auch die Strukturen der rehabilitativen Neuropädiatrie und die weitere Detaillierung erfolgen.
* „Syllabus“ (ursprünglich griechisch, aus συλλαμβάνω, ich nehme, stelle zusammen) wird hier verstanden als Ausdruck für Register, Verzeichnis, Aufzählung, Auszug, Zusammenfassung; siehe auch Wikipedia „Syllabus“: http://de.wikipedia.org/wiki/Syllabus
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Gesundheitspolitischer Auftrag
Die Kinder- & Jugendneurologie ist im Bereich Wissenschaft und Forschung, Patientenversorgung und Aus- und Weiterbildung folgenden Grundsätzen und politischen Zielen verpflichtet:
(1) Wissenschaft und Forschung:
- der wissenschaftlichen Arbeit einschließlich Grundlagenforschung, klinischer Forschung und Versorgungsforschung;
- der wissenschaftlichen Ausbildung;
- der Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse.
(2) Patientenversorgung:
- der Betrachtung des Patienten in einem bio-psycho-sozialen Modell von Gesundheit, Entwicklung, Erkrankung, Behinderung, Partizipation, Palliation (ICF-bzw. ICF-CY-Modell der WHO)**;
- der Gesamt-Versorgung (comprehensive care) von Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen des gesamten Nervensystems, dies umfasst:
- akute Neuropädiatrie
- chronische Neuropädiatrie
- Entwicklungsneurologie
- neonatale Neurologie
- (re)habilitative Neuropädiatrie
- Palliative Neuropädiatrie;
- der Schaffung und Sicherung effizienter Ressourcen und Versorgungsstrukturen mit einer pyramidal konzipierten Struktur aus Primär-, Sekundär- und Tertiärzentren und der Entwicklung integrierter Versorgungsmodelle;
- der Einbindung medizinischer und nicht-medizinischer Nachbardisziplinen und ihrer jeweiligen Fachgesellschaften (Querschnittkompetenz für die Versorgung);
- der Transition in den Verantwortungsbereich der Erwachsenenmedizin (Längsschnittkompetenz für die Versorgung);
- der Entwicklung und dem Erhalt qualifizierter, flächendeckender Patientenversorgung (Gesamtversorgungsauftrag);
- der engen Kooperation zu Elterngruppen, Selbsthilfegruppen und Organisationen, die spezifisch die Belange der betroffenen Patienten und ihren Familien unterstützen.
(3) Aus- und Weiterbildung:
- der qualifizierten und flächendeckenden Fort- und Weiterbildung mit currikularen Ausbildungssysteme (Ausbildungs- und Weiterbildungsauftrag);
- der kontinuierlichen Initiierung, Entwicklung und Aktualisierung diagnostischer und therapeutischer Standards (Lehrbücher, Lehrmodule, Akademien, Leitlinien-Verantwortung, Evidence basierte Medizin, moderne Medien);
- der Etablierung neuropädiatrischer Fachkompetenz in jeder Kinderabteilung bzw. Kinderklinik.
Dies sind die Grundlagen des von uns verstandenen gesundheitspolitischen Auftrages der Gesellschaft für Neuropädiatrie.
Diese sind nur denkbar auf der Basis einer modernen medizinischen Wissenschaft und der bedarfsgerechten Aus- und Weiterbildung. Sowie einer Pädiatrischen Neuromedizin, bei der neuropädiatrische Krankheitsbilder mit der Kompetenz und der Qualität des Schwerpunktes Neuropädiatrie zu behandeln sind, einer Pädiatrischen Neuromedizin, bei der Praxen, Ambulanzen, Institutionen und (Kinder-) Kliniken die Versorgungsstruktur, die Qualität und die Methodenkompetenz des Schwerpunktes Neuropädiatrie vorhalten, und einer Pädiatrischen Neuromedizin, die der zunehmenden Bedeutung neuropädiatrischer Fragestellungen für die pädiatrische ambulante und stationäre Versorgung Rechnung getragen wird.
** World Health Organisation (WHO): International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), verabschiedet auf der 54. World Health Assembly, 22. Mai 2001 (Resolution WHA 54.21), Quelle: https://www.who.int/classifications/icf/en/ ; Online-Version ICF: apps.who.int/classifications/icfbrowser/; Online-version ICF-CY: apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/43737/9789241547321_eng.pdf
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Gesellschaftspolitischer Auftrag
Die Gesellschaft für Neuropädiatrie versteht die Verwirklichung von Chancengleichheit von Frauen und Männern als gesellschaftspolitischen Auftrag und damit als Qualitätsmerkmal und wichtiges Kriterium in Aus- und Weiterbildung, Patientenversorgung sowie Wissenschaft und Forschung.
Dies ist deshalb als zentrales Ziel für alle im vorliegenden Syllabus Neuropädiatrie benannten Einrichtungen und Institutionen zu definieren. Im Anliegen von Gleichstellung und Frauenförderung sind die Instrumente der Entwicklung und Steuerung der in diesem Papier genannten Institutionen integriert. Entscheidungsprozesse und Maßnahmen sollen hinsichtlich ihres Beitrages zur Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern berücksichtigt werden.
Konkrete Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen, sind:
- die Erhöhung des Anteils von Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind;
- die Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses;
- die Fortentwicklung in Forschung, Wissenschaft und Lehre unter geschlechterkategorialen Gesichtspunkten;
- die Förderung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie, persönlicher Lebenssituation und Beruf
Die Gesellschaft für Neuropädiatrie unterstützt als Fachgesellschaft die oben genannten Punkte und Maßnahmen, um die Bedingungen für eine erfolgreiche berufliche und wissenschaftliche Laufbahn für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit familiären Verpflichtungen zu verbessern. Wichtige Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind zum Beispiel:
- sinnvolle Kinderbetreuungsmaßnahmen;
- zielgruppenspezifische Mentoring-Programme;
- transparente Handhabung von Mutterschutzfristen und Elternzeit;
- Dual-Career-Programme
Als Gesellschaft für Neuropädiatrie ist es unser Ziel, in Erfüllung des gesundheitspolitischen Anspruchs zum einen die Strukturen der Versorgung in Deutschland zu optimieren, zum anderen aber auch inhaltlich bestmögliche Voraussetzungen zu bieten, um die Aus- und Weiterbildung, die Patientenversorgung und auch Wissenschaft und Forschung zu ermöglichen. Nur dies wird zu einer hinreichenden Versorgung der Kinder mit kinderneurologischen Krankheitsbildern führen.
Letztlich ist dies nur zu erreichen, wenn auch der gesellschaftspolitische Auftrag erfüllt wird und die einer Chancengleichheit von Frauen und Männern entgegenstehenden gesellschaftlichen Hemmnisse abgebaut werden, um allen neuropädiatrischen Fachkräften ungeachtet ihrer Geschlechterzugehörigkeit eine optimale Wirksamkeit in ihrem beruflichen Umfeld zu ermöglichen. Insofern versteht die Gesellschaft für Neuropädiatrie ihren gesundheits- und ihren gesellschaftspolitischen Auftrag als nicht voneinander trennbare Einheit.